Keine Zeit in Paraguay?!

In der letzten Woche habe ich eine Kreditkarte beantragt. Der Google-Übersetzer ist dabei Gold wert. Ich finde auf der Bank einen wirklich netten Berater, der mir sehr viel Verständnis entgegen bringt. Ich tippe ganz entspannt meine Fragen in den Übersetzer und er antwortet mir auf meinem Handy mit dem Übersetzer. Und nicht einmal habe ich das Gefühl, dass ich ihm auf den Keks gehe. Nicht einmal habe ich das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Genau das liebe ich hier so. Ich habe diesem jungen Mann wirklich einiges an Arbeit produziert. Er hat für mich alle Formulare ausgefüllt. Was ich alles unterschrieben habe weiß ich nicht wirklich. Dennoch glaube ich, es ist alles gut. Nach Weihnachten werde ich dann meinte paraguayische Kreditkarte abholen. Die Kontoeröffnung hat übrigens funktioniert. Die Kreditkarte war der etwas schwierigere Teil.

Stolz wie „Harry“ bin ich aus der Bank gegangen. Und ein bisschen Lachen muss ich noch immer. Eigentlich geht das alles nicht. Aber…..in Paraguay geht es doch. Gestern hörte ich einen interessanten Spruch. Die Paraguayer sind erst dann zufrieden, wenn sie das Gefühl haben, dass sie Dir wirklich geholfen haben.

Heute ist Sonntag. Ich sitze auf meiner Yogamatte und blicke aus meinem Schlafzimmerfenster. Die Sonne tritt so langsam aus den Wolken hervor, als ob sie ihnen sagen möchte: „So, jetzt reicht es mit Regen. Jetzt bin ich dran.“ Noch ein bisschen zaghaft zeigt sie sich. 30 Min. später sind alle Wolken verschwunden und ihr glanzvolles Licht strahlt über Paraguay. Ich blicke aus dem Fenster und verliere mich in Gedanken. In den letzten Jahren habe ich in Deutschland eine Menge geleistet. Mittlerweile wundere ich mich nicht mehr darüber, dass ich immer wieder von Moment zu Moment einfach in vollständige Müdigkeit verfalle. Mein Körper hat wohl einiges an Erholung nachzuholen. Ich schlafe immer noch lange und viel. Gammele so vor mich hin und brauche einfach eine Menge Zeit für mich.

Auch denke ich darüber nach, wie es wohl für mich weitergeht. Ich erinnere mich an das gestrige Gespräch mit einem jungen, deutschen Ehepaar. Ich frage Daniela: „Wie geht es Dir hier, was machst Du den ganzen Tag, mit was bist Du beschäftigt?“ Und ich frage deshalb, weil die Tage hier noch kürzer zu sein scheinen als in Deutschland. Die Zeit vergeht wie im Flug, ohne dass ich wirklich irgendwas Produktives gemacht habe. Was allerdings auch nicht unbedingt mein Anliegen ist. Danielas Antwort entspannt mich: „Na, ich plane unser Leben. Ich denke darüber nach, wo und wie wir in der Zukunft hier leben wollen. Wir schauen uns Grundstücke an, wir wollen ein Haus bauen und ich habe einfach irgendwie immer was zu tun. Es ist alles so neu, ich habe so viel zu lernen, die ganzen Eindrücke, das füllt mich und meinen Tag vollkommen aus.“
Genauso wie Daniela es beschreibt ist es. Ich bin froh und fühle mich bestätigt, darin, dass es ihr auch so geht, dass dieses ganze „Neu“ einfach seine Zeit braucht. Ich werde in Telefonaten mit Freunden aus Deutschland oft gefragt, ob mir hier nicht langweilig ist. Nein, mir ist nicht langweilig. Keine einzige Minute. Ich habe so viele Gespräche, meistens mit Deutschen, Österreichern und Schweizern, die ausgewandert sind, oder gerade dabei sind. Von Ihnen bekomme ich eine Menge Unterstützung und Informationen, wie das Leben hier funktioniert. Das braucht Zeit. Ich möchte im neuen Jahr das Land mit dem Auto erkunden. Ich habe bereits einen Führerschein, mit dem ich mich in ganz Südamerika bewegen kann und ebenso eine Aufenthaltsgenehmigung für Paraguay bekommen. Doch das ist ja nicht alles, was ich hier benötige. Ich werde noch einige Monate – oder vielleicht auch länger?! –  hier bleiben. Wie lange, das weiß ich noch nicht. Und dafür braucht es eben einfach ein bisschen Organisation. Immer wieder stellen sich Fragen wie: Wer macht was wann und wo für mich? Welche Unterlagen brauche ich, zu welchem Amt oder welcher Bank traue ich mich wegen meiner begrenzten Sprachkenntnisse allein und wofür brauche ich noch Hilfe. Wo will ich nächstes Jahr wohnen, wo kaufe ich ein, und natürlich gibt es 1000 Alltagsfragen wie: wo bekomme ich ein gutes Haarshampoo, wo bekomme ich das ein oder andere Bio-Lebensmittel, in welchem Cafe gibt es einen guten Cappuccino, wo gibt es überhaupt ein Cafe, wo kann ich mir noch ein paar gute Wanderschuhe kaufen, wie lange reicht mein Prepaid Guthaben meiner Telefonkarte noch, was will mir mein Telefonanbieter mit dieser SMS nun jetzt schon wieder mitteilen? – und wo gibt’s dieses oder jenes Lebensmittel mit etwas weniger Zucker? Wann fährt wo welcher Bus, ab wann leiste ich mir wieder ein Mietauto oder kaufe ich mir doch ein Moped? Warum ist der Strom schon wieder ausgefallen, wie lade ich jetzt mein Laptop auf, wie lange dauert das wohl noch? Kann ich den Rest Bürokratie vom Handy erledigen, weil……das hat noch Strom……..Fragen über Fragen. Und täglich werden es mehr. Zwei sind beantwortet, drei kommen hinzu. Immer wieder beschäftige ich mich damit, welche Aussichtspunkte ich mir angucken möchte. Welche Routen sind mit welchem Auto zu befahren, wo könnte ich schlafen, oder geht es auch ohne Übernachtung? Einiges werde ich auf mich zukommen lassen, nicht planen. Bei Reisen wie die in den Chaco, in die unendlichen Weiten von Paraguay, finde ich eine gute Vorbereitung wichtig. Bald ist es soweit. Ich fahre gemeinsam mit Marcel, einem Schweizer, der bereits ausgewandert ist. Sein Auto ist auf jeden Fall Chaco tauglich.
Ach ja, und kürzlich sind wir mit seinem Auto liegen geblieben. Bei dieser Panne braucht es einen Abschleppwagen. Das ist auch ein Abenteuer. Gott sei Dank ist das nicht im Chaco passiert. Dort, wo es nicht überall Handynetz gibt, das Land eine unendliche Weite hat, die Tankstellen und Supermärkte rar sind. Eine Autopanne braucht Zeit, ein paar tiefe Atemzüge und Geduld – und ein bisschen Humor.

Das ist allerdings nicht das erste Mal, dass es einen Abschleppwagen braucht. Kürzlich bin ich auf einem Geburtstag eingeladen. Ich werde freundlicherweise von einem deutschen Ehepaar abgeholt. 20 Minuten später stehen wir auf dem Weg nach Asuncion auf dem Seitenstreifen einer viel befahrenen Straße. Reifenpanne. Ich lächele gerade wieder in mich hinein. Stell Dir einfach vor Du bist im Ausland, sprichst die Sprache kaum und hast mit Deinem eigenen Auto eine Reifenpanne, abends um 18 Uhr. Ach ja, einen Ersatzreifen und einen Wagenheber hast Du nicht dabei. Und das Wort „ADAC“ ist in dem Land ein Fremdwort.
Es ist so cool, ich werde darüber in einem Buch berichten, welches ich gerade parallel zu dieser Reise schreibe. Wie von Gotteshand gesteuert kommt auch in diesem Fall die Rettung. Das Einzige was wir dabei zu tun haben ist: Warten, Geduld zeigen und freundlich bleiben.
Und eines mache ich hier ganz oft: Ich genieße die Natur. Das Foto was Du gerade siehst ist eine Lagune die zu dem Bauernhof gehört, auf welchem ich derzeit lebe. Es hat in den letzten Wochen viel geregnet. Heute konnte ich 1000de von kleinen, hüpfenden Kröten beobachten, die wohl erst seit ein paar Tagen oder vielleicht auch Stunden das Licht von Paraguay erblickt haben.
Einfach nur spazieren gehen, gucken und staunen, das mache ich derzeit am Liebsten.
Das sind nur ein paar Eindrücke, von dem was ich so den ganzen Tag mache. Die Zeit vergeht hier wie im Flug. Kaum hat der Tag begonnen, ist er schon wieder vorbei.

Und hin und wieder stellt sich auch die Frage: „Wann fliege ich wieder nach Deutschland“. Und die Antwort fällt mir sehr leicht: „Das dauert noch eine Weile, das verschiebe ich auf später.“