Autofahren auf der roten Erde in Paraguay
Nun bin ich bereits seit über vier Monaten in Paraguay und jedes Mal, wenn ich die Straßen des Landes befahre, spüre ich wieder dieses unvergleichbare Freiheitsgefühl. Ich liebe es, hier Autozufahren. Egal wo lang ich fahre, die Energie in Paraguay ist sehr besonders.
Natürlich gibt es auch einige Situationen in meinem Alltag, die ich als sehr anstrengend empfinde. Ich habe mein „Altes Leben“ komplett aufgegeben. Alles ist neu. Und…..das Autofahren ist hier eben sehr besonders und absolut anders als in Deutschland. Ich liebe es, obwohl es hin und wieder eine große Herausforderung für mich ist.
Mittlerweile bezeichne ich mich als Schlammstraßen-Spezialistin. In dem ich das hier schreibe, muss ich jetzt selbst ein bisschen lachen. Ja, es ist so, ich bin zur Schlammstraßen-Spezialistin geworden. Und wer kann schon von sich behaupten, in nur vier Monaten in einem Bereich Spezialist geworden zu sein. Smile…..
Nun ja, ein bisschen Spaß muss sein. Wenn es um Autofahren bei oder auch nach dem Regen geht, dann bin ich in der Einschätzung schon ganz gut geworden.
Der Weg zu meinem Häuschen, in dem ich derzeit lebe, ist nicht komplett gepflastert. Knapp einen Kilometer fahre ich auf der wohlbekannten roten Erde von Paraguay. Und es gibt ein kleines Stück, welches je nach Regenstärke noch befahrbar ist, oder eben nicht.
Bei diesem kleinen Stück ist es wie im richtigen Leben, wenn Du stehen bleibst, den Fuß unachtsam vom Gas nimmst oder auch zu viel Gas gibst, dann bleibst du stecken.
In meinem Fall kann es sein, dass ich dann einen Trecker benötige, der meinen kleinen Wagen wieder aus dem Schlamm auf die Straße zieht. Langsam und achtsam fahren, aber auch nicht stehen bleiben, das ist hier in Paraguay und auch auf der Straße des Lebens eine gute Wahl.
Es beginnt zu regnen, ich bin mit Markus und meinem Mietwagen unterwegs. Oh nein, warum das jetzt schon wieder?! Ich frage mich, wie ich nun wohl nach Hause kommen soll. In den letzten Wochen hat es teilweise 3 Tage durchgeregnet. Manchmal reicht in Paraguay eine Nacht, und die Wege sind kurzfristig nicht befahrbar. Dann schüttet es wie aus Eimern vom wolkenbedeckten Himmel. Gefühlt ist es dann ein kleiner Wolkenbruch. Dann dauert es ein paar Stunden, bis das Wasser versickert, und die Sonne die rote Erde zumindest ein bisschen abtrocknet.
Bei starkem Regen sehe ich die Schlaglöcher auf den Straßen nicht. Ist eines von Ihnen wieder einmal mehr als 30 cm tief und voll mit Regen gelaufen, dann könnte das einen Reifen, Felgen oder Schlimmstenfalls auch einen Schaden an der Achse verursachen.
Wie Du liest, bin ich also nicht nur Schlammstraßen-Spezialistin geworden, mit Schlaglöchern, Reifen und Felgen kenne ich mich jetzt auch schon aus.
Mit dem Auto bin ich schon zwei Mal liegengeblieben. Ich war zwar nur Mitfahrer, aber dennoch hilft das, das Autofahren in Paraguay etwas gelassener zu nehmen. Einmal war es ein geplatzter Reifen, ein anderes Mal ein defekter Kühler. Wenn Du Dir also ein Trainingsprogramm für Gelassenheit wünscht, was wirklich funktioniert, dann beginne mit Autofahren in Paraguay.
O.k., ich bin also bei Regen mit Markus unterwegs. What to do? Hm…….! Ok., wir gehen in der Copetrol Tankstelle in Altos einen Kaffee trinken. Dort können wir draußen sitzen, und die Niederschlagmengen schon allein daran beobachten, dass wir hin und wieder etwas Regen abbekommen. Das Terrassendach und die Dachrinnen haben so eine besondere Art von Lochmuster, über das wir gutgelaunt beim Kaffee nur noch schmunzeln können.
Kurzfristig erinnere ich mich an Deutschland, wo vieles erneuert wird, weil es in ein paar Jahren mal defekt sein könnte. Wir Deutschen sind so sehr vorausschauend. Bei manchen Lebensbegebenheiten mag das von Vorteil sein, mit einem Blick auf Paraguay nimmt uns das definitiv die Leichtigkeit am Leben.
Und ich erinnere mich in diesem Moment auch an eine Dachrinne an einem Restaurant in Piribebuy. In meinem ganzen Leben hätte ich nicht gedacht, dass man solche ein Lochblechrohr noch Dachrinne nennen kann. Fazit: Die Besitzer leben auch und scheinen definitiv fröhlicher zu leben und zu sein, als die Menschen in Deutschland.
Doch zurück zu meinen Gedanken, wie ich denn nun wohl heute nach Hause komme. Komme ich noch durch das Schlammloch, ca. 1 km vor meinem Haus?
An Mut hat es mir in meinem Leben selten gefehlt. Ich begutachte die Regenmenge und beschließe, dass es eigentlich noch möglich sein müsste, durch die rote Erde dieses wunderbaren Landes zu fahren.
Somit beschließen wir aufzubrechen. Ich bringe Markus noch zu einer Wegkreuzung, an der der Asphalt zu seinem Nachhauseweg ebenfalls aufhört. Markus ist ein Mann, der einen roten Regenschirm im Rucksack hat, um nun 3,5 km zu Fuß zu gehen. Der Mann hat Weitblick, das gefällt mir.
O.k., ich wende, um nach Nueva Colombia, zu mir zu fahren. Bei Regen ist das Autofahren nicht nur ein Abenteuer, es ist auch körperlich etwas anstrengend. Ich spüre die Anspannung besonders im Nacken. Durch die Konzentration auf Straße und Verkehr spüre ich meine kompletten Rückenmuskeln. Atmen, das habe ich ja im Yoga gelernt, das hilft.
Würde ich so angespannt weiterfahren, hätte ich morgen wohl ein Rückenproblem. Also nicht nur langsam und achtsam fahren, atmen und loslassen braucht es auch noch, um heil zu Hause anzukommen.
Und ich denke so bei mir: „Kein Mensch würde sich in Deutschland so viele Gedanken hinter dem Steuer machen, nur weil es regnet. Ich bin aber nicht in Deutschland. Ich bin in Paraguay, und hier ist eben alles anders.“
Auf dem Nachhauseweg überlege ich noch, ob ich evtl. einen anderen Weg nehmen könnte, dann würde ich das Auto ca. 1 km vor meinem Haus am Straßenrand parken. Doch ich komme zu dem Entschluss, mir das Hindernis erstmal anzugucken, um dann zu entscheiden, ob ich durch den roten Schlamm fahre, mein Auto komplett einsaue, oder ob ich nach einer anderen Möglichkeit suche.
Ca. 40 Minuten, nachdem ich mich von Markus verabschiedet habe, stehe ich kurz vor Ende dieser besagten Pflasterstraße. Vor mir ein See, roter Schlamm und Regen. Ganz schön viel Regen. Was mache ich?
Kürzlich hat mir mein Vermieter mal gesagt, dass es einen Trecker braucht, wenn ich stecken bleibe. Dieser Film läuft gerade in meinem Kopf ab. Der Trecker, der mein Auto aus dem Schlamm zieht. Ups, das fühlt sich gar nicht gut an. Dieses Programm schalte ich schnell wieder um auf: Vielleicht funktioniert es ja doch. Ja, ich glaube es funktioniert. Gott sei Dank bin ich so gepolt, dass ich immer einen Weg finde und daran glaube, dass es dann auch funktioniert.
Ich erinnere mich daran, dass mein Vermieter ein paar Tage nach der Geschichte mit dem Trecker, sagt: „Heute kannst Du ruhig fahren. Soviel hat es nicht geregnet.“
Der Gedankengang gefällt mir. Also, nun aber los. Ein bisschen Mut aus der Mütze gezaubert, ich fahre noch ein paar Meter zurück, um genug Schwung zu haben und nicht zu hoch zu drehen, und schon bin ich im Schlamm. Mein Fuß bleibt auf dem Gas, das Auto rutscht hin und her. Die Räder greifen nur wenig. Es ist fast ein bisschen lustig, es fährt sich, als ob ich mich auf einer Schneestraße in Deutschland befinde. Die Straße ist zwar rot und schlammig, aber breit genug, um das Auto rutschen zu lassen. Etwas mehr als 50 Meter vor mir hält ein Wagen an und beobachtet das Schauspiel. Wahrscheinlich stellen sich ihm die gleichen Fragen wie mir. Geht’s, oder geht’s nicht? Nach ein paar Metern greifen die Räder gut.
Uih, Jippie, ich bin die Schlammstraßen-Spezialistin von Paraguay. Mächtig stolz auf meine Off-Road Fahrkünste, kommen mein Auto und ich heil zu Hause an.
Eines weiß ich genau: Wenn ich wiedergeboren werde, dann sicher nicht als Auto in Paraguay. Das ist mir wirklich zu anstrengend. Was ein Auto hier alles so aushalten muss……..