Mein Leben an einem Samstagmorgen in Paraguay
Ach wie schön es hier ist. Ich lebe im Paradies. Jeden Morgen wenn ich die Augen aufschlage bedanke ich mich bei Gott dafür, dass ich seit 6 Monaten in Paraguay lebe. Dass es mir vom Leben ermöglicht wurde, hier sein zu dürfen.
Was für ein Geschenk. Das warme, tropische Klima, die grüne Landschaft mit ihren saftigen Wiesen, die vielen Kühe und Kälbchen, die Hunde und Katzen, Schafe, Ziegen, Hühner und Enten. Und hin und wieder sehe ich einen Ochsenkarren, so, wie wir ihn aus Europa vor vielen Jahrzehnten noch kennen.
Morgens aufstehen ist nicht so meine Stärke. Ich bin noch immer müde den letzten 20 Jahren Europa. Viel zu viel habe ich gearbeitet. Mein Körper scheint die Erholung dringend zu brauchen und zu genießen.
Samstag machen Markus und ich oft gemeinsam einen Morgenspaziergang. Und hier in Paraguay ist es, so empfinde ich es, Samstag morgens besonders interessant und inspirierend zugleich.
Wir gehen um ca. 8 Uhr aus dem Haus und schlendern auf der roten Sandstraße vor unserem Häuschen entlang. Die Vögel singen ihre schönsten Lieder, einige Mopeds knattern schon durch die Gegend und ein paar Autos sind auch schon unterwegs. In weiter Ferne sehen wir den Ypacaraisee. Auf unserem Weg sehen wir Palmen, Mangobäume, Citrusbäume, Papaya- und Pampelmusenbäume, Lapachobäume und jede Menge anderes Grün, sowie Sträucher und Gräser. Mittlerweile kennen wir hier in der Straße schon einige Paraguayer. Wir werden fast immer mit einem freundlichen „Que`tal“ (wie geht`s) begrüßt. Mürrische Menschen scheinen zumindest hier in unserer Gegend eine Seltenheit zu sein. Die Menschen sind so glücklich und strahlend, dass wir uns gern von dieser Energie einnehmen lassen.
Durch den warmen Sommermorgen weht ein leichter, kühlender Wind. Um diese Uhrzeit sind die Temperaturen so wunderbar angenehm und die Sonne strahlt in ihrer schönsten Form über das weite Land.
Wenn es hier in Paraguay regnet, dass spült es die Straßen aus. Es entstehen oft riesige Löcher oder große Feldsteine werden freigespült, sie liegen dann wie Felsen auf den Straßen. Mit dem Auto kann man diese entweder umfahren, oder mit viel Geschick befahren.
Heute Morgen wirkt unsere rote Sandstraße wie ein Highway. In unregelmäßigen Abständen fahren große Maschinen über die Sandstraßen von Paraguay und machen diese wieder besser befahrbar. Sie werden sozusagen glatt geschoben, soweit es möglich ist und die großen Steine es zulassen. Irgendwann in den letzten Tagen scheint das auch hier passiert zu sein.
Markus und ich, wir gehen an einem kleinen grünen Häuschen vorbei, an dem wir fast jedes Mal stehen bleiben. Die Paraguayerin die dort wohnt ist gerade draußen. Sie trocknet ihre Wäsche auf einem Stacheldrahtzaun und begrüßt uns herzlich.
Irgendwie strahlt dieses hellgrün angemalte Häuschen ein ganz besonderes Flair aus. Das Haus ist einfach und im paraguayischem Stil gebaut. Neben ihm steht ein großer Mangobaum. Vor dem Häuschen stehen einige Stühle und ein schwarzer Hund faulenzt auf der Erde herum. Die Hühner und ihre Küken laufen frei herum. Was braucht es eigentlich zum Leben und zum glücklich sein? Das ist eine Frage, die ich mir hier sehr oft stelle. Wieviel Luxus braucht es? Braucht es überhaupt Luxus oder ist das Leben im Einklang mit der Natur schon genug des Luxus`?
Markus und ich, wir gehen weiter und reden über unser Leben hier in Paraguay. Es ist nicht immer leicht für uns, wir haben natürlich auch unsere Herausforderungen mit dem „alles ist neu“ zu bewältigen. Dennoch ist das Positive das, was überwiegt. Das Gefühl einfach glücklich zu sein, ohne dass es irgendetwas Besonderes dazu braucht, das ist es, was ich hier noch intensiver von den Paraguayern lernen möchte. Erst vor ein paar Tagen wurde ich gefragt, was ich in diesem Land als Luxus empfinde. Das ist eine gute Frage: Meine Antwort darauf: Ein guter Cappuccino auch aus meiner eigenen Küche, das reicht mir hier schon an Luxus. Mehr braucht es nicht.
In Deutschland und auch in der Schweiz definieren wir uns in erster Linie über das, was wir beruflich machen. Wir definieren uns darüber, was wir besitzen und darüber, was wir alles so leisten. Zumindest ist von meiner Betrachtungsweise her so. Die Paraguayer haben eine völlig andere Lebenseinstellung. Das, was uns die Yogaphilosophie immer wieder lehrt, im Hier und Jetzt zu sein, den Moment zu leben und zu genießen, das scheint Ihnen in die Wiege gelegt zu sein. Und glücklicherweise hat ihnen das die Zivilisation noch nicht aberzogen. Genau das ist es, was sie in ihrem Alltag ausmacht ….glaube ich. Sie sind einfach da und freuen sich des Lebens. Wie sehr ist uns Deutschen und vielen anderen Europäern genau das abhandengekommen?
Oft legen Markus und ich auf unserem Morgenspaziergang eine kleine Pause ein. Wir suchen uns auch heute 2 Feldsteine und setzen uns an den Rand der Straße. Hinter uns schallt südamerikanische, fröhliche Musik. Wir drehen uns um und sehen eine Box, halb so hoch wie eine Eingangstür. Auch das ist normal hier in Paraguay. Die Paraguayer lieben Musik und das in voller Lautstärke…… halb so laut hätte allerdings auch gereicht.
Wir gehen wieder weiter und begegnen einem sehr schlanken, alten Mann. Dieser Mann schiebt eine alte, aus voll Holz gebaute Schubkarre. So wie wir sie aus Deutschland von vor ca. 70 oder 80 Jahren kennen. Schon oft bin ich diesem Mann begegnet. Er ist so dünn, dass man meinen könnte, dass er eigentlich allein unter dem Gewicht der Karre zusammenbrechen müsste. Und ich denke so bei mir: „Wie kann man nur solch eine Karre mit einem Holz Rad auf einer Erdstraße schieben, das muss doch unheimlich schwer sein?!“ Der alte Man lächelt, grüßt uns freundlich und wir mit einem „Hab einen schönen Tag“ weiter. Mich begleiten noch ein paar Gedanken: „Wie schwer hat dieser Mann wohl für wie wenig Geld in seinem Leben arbeiten müssen?“ Der Stundenlohn hier in Paraguay beträgt oft weniger als 2 €. „Wie schaffen es die Paraguayer, damit über die Runden zu kommen?“ Familie wird hier im Land großgeschrieben. Der Zusammenhalt ist hier viel stärker als bei uns in Deutschland. In der Familie sorgt der eine für den anderen. Es gibt hier kein Sozialsystem, welches die Menschen absichert oder auffängt. Diese Art zu leben findet in meinem Wertesystem sehr viel Zustimmung. Wir Deutschen beginnen bereits in jungen Jahren damit, uns abzusichern. Wir tun alles, um ein möglichst sicheres Leben zu führen. Dabei ist es genau das Abenteuer, was das Leben ausmacht. Für mich ist das Neue, das Unbekannte das, was mich beweglich im Geist bleiben lässt, auch wenn es mal nicht so läuft, wie es laufen soll. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, habe ich genau in den Momenten, wo nicht alles so zufriedenstellend gelaufen ist, die besten Ideen entwickelt. Zuviel Sicherheit stört die Flexibilität, ich werde dann bequem. So habe ich es zumindest bei mir festgestellt.
Wir gehen weiter, treffen Hunde, streicheln sie, sehen Frauen auf Mopeds und ganze Familien auf Mopeds durch diesen Samstagmorgen fahren. Und wir staunen darüber, was man so alles auf einem Moped transportieren kann. Von einer Kiste Bier, über eine etwas modernere Schubkarre, wie vorher erwähnt, ein Fahrrad, Hunde, Baumaterialien wie einen Sack Zement bis hin zu 2 Erwachsenen und 2 Kindern haben wir hier schon so einiges beobachten und bestaunen können.
Wieder einige hundert Meter weiter bestaunen wir den Baufortschritt eines Hauses.
Was hier alles so gebaut wird, ist sehr interessant. Der Paraguayer scheint sehr gern mit Steinen zu arbeiten, und viele von Ihnen können das in Perfektion.
Manche Häuser haben hier keine Fenster. Wenn das Geld fehlt, wird daran gespart. Ein Holzladen tut es dann auch. Manchmal sind die Häuser nicht verputzt, andere sehen so aus, als wenn sie nur halbfertig sind und trotzdem bewohnt werden.
Hier in diesem Land ist alles möglich. Und das meiste was man in Europa über Paraguay hört, kann ich nicht bestätigen. Ich kann derzeit über nicht viel Negatives berichten. Manchmal ist es ein bisschen sehr warm und die Luft ist feucht. Ich bin noch immer dabei, mich zu akklimatisieren. Bei 22 Grad ist mir allerdings mittlerweile schon zu kalt und ich brauche eine Jacke. In diesem Land im Herzen von Südamerika, habe ich in den letzten Monaten gefühlt mehr gelacht und Freude erlebt, wie in Deutschland in den letzten 2 Jahrzehnten. Ich bin hier sehr glücklich und ich bin selbst sehr gespannt, wie es nun für mich weitergeht.
Und genau in diesem Moment, in dem ich diesen Text hochlade, sitze ich in Asuncion/Paraguay am Flughafen, um nach Deutschland zu fliegen. Ich habe dort einiges zu erledigen und freue mich sehr darauf, einige Freunde wieder zu treffen.